Juni 24, 2008

Nicht von der hehren Kunst, sondern vom Essen leben wir.

[Peter Kubelka]

„Kunst ist ein Werkzeug, das denjenigen weiterbringt, der auf seiner Stelle unzufrieden ist“. Kunst wird demnach nicht nur mit Werkzeugen hergestellt, sondern ist als solche für ihn eine Art Maschine der Selbst- und Weltverbesserung, an welche er die höchsten Maßstäbe legt.

Für sein Denken ist ein Steinzeithammer allemal wichtiger als die größten Werke der modernen Kunst. So ein Hammer ist eine Skulptur, ein Werkzeug, wie ihm die Kunst ein Werkzeug ist, das die jeweilige Lage verändert. Da liegt ein Zeitbegriff verborgen, der im Film a priori da ist, der aber wie ein kosmischer Tanz alle Bewegungen der Welt einschließt oder bewußt macht. Beobachtet er seine Mitmenschen, erfährt er ihre persönlichen Gesten als eigene Sprache. Ein Schritt von hier nach da kann bedeutsamer sein, als alle statischen Kostbarkeiten, weil er jemanden weiterbringt. Heraklits „Alles fließt“ nimmt Kubelka ernst.

Eine Performance oder Aktion ist nur sinnvoll an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und verliert das Wesentliche in der Konservierung eines Videos.

Aber auch er wiederholt seine Suche nach dieser Essenz immer wieder. In der Wiederholung muss man nicht nur ein zwanghaftes Ritual sehen, sie ist auch ein Zeichen für unsere oszillierende Existenz.

Nicht von der hehren Kunst, sondern vom Essen leben wir. Können Kulturen, in denen die Küche stagniert, deren Menschen für das Essen nur wenig übrig haben, demgemäß nur schlechte Kunst, wenn überhaupt eine hervorbringen? Das wäre allerdings etwas verkürzt gedacht. Einerseits beruht diese These auf der Abwertung des einst so wichtigen Geschmacks, der seit der Avantgarde von Kunst abgekoppelt worden ist. Andererseits könnte man natürlich auch umgekehrt argumentieren, dass nämlich in einem Land, wo die besten Kräfte sich dem Kochen und Speisen, nicht unwesentlich geringere Talente sich der Bühne widmen, keine Energie mehr für bildende Kunst aufgebracht werden kann.

Wird mit Butter-, Schokolade- oder Zuckerskulpturen oder fernöstlichen Gemüseschnitzereien zwar visuelle Kunst hervorgebracht, gehe dennoch der Sinn der Küche verloren. Zuviele auch durchaus passende Zutaten verderben den „Urgeschmack“. Kochen bedeutet von daher die Verbindung von transitorisch-vergänglichen Genüssen mit der Utopie eines den Materialien eigenen Geschmacks, der nicht überlagert, sondern als Schatz gehoben werden sollte.

Die in der Küche gewonnene Einsicht, dass jede Verspätung und jedes Zuviel oder Zuwenig den Geschmack verdirbt, d.h. eine derartige Pfuscherei den Genuss der Speisen unmöglich macht, bedeutet verallgemeinert das Wissen um den jeweils einzig möglichen Zeitpunkt. Ewige Werte verderben alles.

Das Kochen und das Sprechen sind insofern analoge Tätigkeiten, als sie das Überleben sichern und aus der Komposition von Elementen gemäß bestimmten Regeln entstehen.

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