Mal verschiedene Standpunkte zusammengesucht:
Kant war es, der als erster dem Geschmacksurteil die Würde eines Urteils gab.
Seine Kritik der ästhetischen Urteilskraft beschreibt das freie Spiel der Erkenntniskräfte, die das Schöne in uns auslöst. Es führt zu einem Zustand der ästhetischen Lust, der uns dann ein positives Geschmacksurteil fällen lässt. Damit unser Urteil über das Schöne verbindlich werde, müssen wir von privaten Vorlieben absehen - und es mit interesselosem Wohlgefallen betrachten. Unser Gemeinsinn, der sensus communis, ermöglicht es, unser Urteil anderen mitzuteilen und Zustimmung zu erzielen. Kants Ideen waren wichtig für ein immer stärkeres Bürgertum, das sich ohne Kirche und Staat selbst darauf einigen wollte, was schön ist, und betonte die Bedeutung eines öffentlichen Geschmacksurteils neben der bloßen Privatmeinung.
Geschmack unterliegt einem schnellen Wandel
Die Kantische Idee des Gemeinsinns mündet in einen Kanon, wie ihn Marcel Reich-Ranicki gerne für die Literatur durchsetzen möchte. Doch das scheint kaum mehr zeitgemäß zu sein. Was gestern noch Provokation war, hängt heute im Museum. Ein gutes Beispiel dafür ist eine aktuelle Ausstellung über psychedelische Kunst der 60er Jahre in der Frankfurter Kunsthalle "Schirn". Denn seit dem 20. Jahrhundert erleben wir einen raschen Wandel des Geschmacks und sind deshalb zu Skeptikern geworden. Und anstatt das Schöne einfach mit interesselosem Wohlgefallen zu betrachten, kaufen wir uns Design - und bestätigen damit Wittgenstein. Nach Wittgenstein, sprechen wir die meisten Geschmacksentscheidungen nicht aus, sondern verhalten uns ästhetisch im Kontext einer Lebensform: Wir sagen nicht, dieser Anzug ist schön, sondern wir kaufen ihn und ziehen ihn immer wieder an.
Der Geschmack ist unser ästhetisches Gewissen, sagt der Philosophieprofessor Rudolf Lüthe, deshalb sollten Geschmacksfragen genauso ernst genommen werden wie moralische Fragen und weiter: "Das ist doch reine Geschmackssache - gemeint ist damit: Darüber kann man nicht sinnvoll reden. Ich halte das für eine Fehleinschätzung. Geschmack prägt sehr stark unser kulturelles Leben, darüber kann man durchaus sinnvoll diskutieren. Die Geschichte der Philosophie des Geschmacks ist eine Geschichte der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Gemeinplatz, dass man über Geschmack nicht streiten könne."
Rudolf Lüthe sagt: "Es ist etwas ganz anderes, zu sagen, mir schmeckt das oder das gefällt mir oder zu sagen, das ist wirklich köstlich oder das ist wirklich schön. Im ersten Fall drücken wir einen subjektiven Gemütszustand aus, für den wir keine Begründung brauchen und den wir auch anderen nicht zumuten müssen. Hingegen wenn wir sagen, das ist wirklich köstlich oder das ist wirklich schön, dann beanspruchen wir, das Menschen die sich mit dem Gegenstand ernsthaft auseinandergesetzt haben, diesem Urteil beipflichten können.
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